Veranstaltung: | Landesparteitag Schleswig-Holstein September 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | 5 Anträge |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 25.08.2023) |
Status: | Eingereicht |
Abstimmungsergebnis: | einstimmig |
Antragshistorie: | Version 2 |
A - Leitantr. -( Ä1)-Neu: Schleswig-Holsteins europäische Tradition fortführen – Für ein Europa der starken ländlichen Räume
Antragstext
Bereits lange vor der Europäischen Union lebten die Menschen in den Herzogtümern
Schleswig und Holstein mit einer Vielfalt an Menschen und Sprachen gemeinsam den
europäischen Gedanken. Schleswig-Holstein ist eine starke europäische Region.
Wir sind Vorreiter*innen bei den Erneuerbaren Energien, leben Vielfalt und
teilen uns Nord- und Ostsee mit unseren europäischen Nachbar*innen. Die
friedliche Grenzziehung zwischen Dänemark und Deutschland und der daran
anschließende Schutz der nationalen Minderheiten war Vorbild für die Welt. Diese
europäische Erfolgsgeschichte haben wir in Schleswig-Holstein seither
fortgeschrieben.
Am 9. Juni 2024 wird bei uns das neue Europäische Parlament gewählt. Wir Grüne
sind überzeugt davon, dass Schleswig-Holsteins Städte und Dörfer durch Europa
noch stärker werden. Deshalb wollen wir gemeinsam mit Euch unser Bundesland als
europäische Region gestalten.
Die Wahlen im kommenden Jahr werden zu einer grundlegenden Auseinandersetzung
über die Frage, ob wir die Europäische Union zu einem Projekt weiterentwickeln,
dass für alle Menschen funktioniert oder ob wir es zulassen, dass
nationalistische radikale Kräfte unsere europäische Demokratie zerstören. Wir
Grüne sind felsenfest davon überzeugt, dass wir weitere Schritte zur
Europäischen Integration machen müssen und dass Schleswig-Holstein davon
profitiert. Dazu muss die EU Strukturen vor Ort stärken und mehr Menschen
konkrete politische Antworten geben.
Wir Grüne wollen die Europäisch Union mit allen Schleswig-Holsteiner*innen
weiterentwickeln. Es geht um unsere gemeinsame Zukunft. Deshalb laden wir alle
Schleswig-Holsteiner*innen ein, mit uns gemeinsam diesen Weg zu gehen. Unser
Ziel ist im nächsten Europäischen Parlament wieder vertreten zu sein und bei den
Wahlen nach 2019 das zweite Mal stärkste politische Kraft im echten Norden zu
werden.
Wir wollen das Versprechen gleichwertiger Lebensverhältnisse überall in unserem
Land Realität werden lassen. Dafür braucht es aktive Politik für die
Herausforderungen auf dem Land.
Wir glauben daran, dass grenzüberschreitende Lösungen für unser Bundesland die
beste Antwort sind. Das bedeutet, dass wir Vorzeigeland für europäische
Zukunftsthemen wie den Europäischen Green Deal werden und, dass wir den
europäischen Rahmen zum Vorteil für alle Schleswig-Holsteiner*innen nutzen
wollen. Gerade in ökonomisch unsicheren Zeiten, in denen gesellschaftliche und
soziale Polarisierung zunimmt, wollen wir zusammenführen und Eine Politik
machen, die alle Menschen im echten Norden mitnimmt.
Durch die EU starke ländliche Räume der Zukunft gestalten
Schleswig-Holstein ist durch den ländlichen Raum geprägt. Daher wollen wir
darauf einen besonderen Fokus legen. Etwa vier von fünf Schleswig-
Holsteiner*innen leben im ländlichen Raum. Viel regionale Wertschöpfung,
beispielsweise in der Landwirtschaft, für die Energieversorgung oder im
Tourismus entsteht dort. Deswegen wollen wir mit unserer Europapolitik besonders
den ländlichen Raum fördern. Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass die Schleswig-
Holsteiner*innen dort weiter gut und gerne leben. Durch neue Ideen,
Digitalisierung und den europäischen Rahmen wollen wir den ländlichen Raum
attraktiver machen.
Wir Grüne setzen uns für eine aktive europäische Politik für ländliche Regionen
ein - in der Kommune, im Land, im Bund und auch im Europäischen Parlament. Durch
unsere Arbeit im Europäischen Parlament und durch gezielte Lobbyarbeit unserer
Landesregierung wollen wir Schleswig-Holsteins Stimme in Brüssel stärken.
Mit der EU das Ehrenamt stärken
Unsere Demokratie lebt von der Teilhabe und der Mitgestaltung ihrer Mitglieder.
Ehrenamtliches Engagement ist dabei einer der wichtigsten Stützpfeiler einer
starken Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalts. Einer Demokratie und
eines Zusammenhaltes, der nicht nur unsere Region lebenswert macht, sondern uns
auch wehrhaft gegen Rechtsextremismus.
Das gilt insbesondere für unsere Dorfgemeinschaften. Wir Grüne wollen daher das
Ehrenamt stärken und gemeinschaftliche Strukturen gerade im ländlichen Raum
unterstützen. Wir wollen etablierten Vereinen, ebenso wie neuen Initiativen
dafür mehr Möglichkeiten geben.
Dazu gehört eine öffentliche Infrastruktur, die es Vereinen ermöglicht, sich zu
treffen und Veranstaltungen durchzuführen. Wir wollen europäische Programme, die
dem ländlichen Raum zu Gute kommen, wie bspw. das Programm LEADER stärken. Es
muss einfacher werden für kleine Vereine und Ehrenamtler*innen europäische
Programme zu beantragen.
Daher ist uns wichtig, dass neben einer guten Beratung zu den Förderprogrammen
auch der Ablauf vereinfacht wird. Zukünftig sollen die Förderprojekte nur noch
durch eine Verwaltungseinheit geprüft werden, entweder die EU oder die
Bundesländer. Auch eine genauere Prüfung zur Evaluation, statt vor der
Projektimplementierung können wir uns vorstellen.
Wir begreifen die Förderung des ländlichen Raums nicht als Anhängsel der
Agrarpolitik. Der ländliche Raum muss in der nächsten EU Förderperiode ein
eigenständiger Förderbereich werden. Kürzungen bei Bundesprogrammen wie der GRW
oder dem Sonderrahmenplan ländliche Entwicklung lehnen wir ab.
Mit der EU gutes Landleben für alle ermöglichen
Der ländliche Raum soll ein Ort für alle Menschen sein. Dazu wollen wir
Menschen, wie die junge Generation, LGBTIQ* oder Menschen mit
Migrationsgeschichte, besser einbinden, die zur Zeit noch zu oft übersehen
werden. Wir wollen neue Beteiligungs- und Gestaltungsmöglichkeiten schaffen und
vor allem junge Menschen bei der Gestaltung ihres Dorfes besser einbinden.
Kinder und Jugendliche sollen in ihren Bedürfnissen ernstgenommen werden und die
Kinder- und Jugendbeteiligung wirkliche Veränderungen bewirken können. Das ist
gelebte Demokratie und Demokratiebildung.
Mit der EU Gesundheit, Mobilität und Digitalisierung auf dem Land stärken
Die Grundlage für ein gutes Leben ist eine starke öffentliche Daseinsvorsorge.
Auch Menschen im ländlichen Raum haben das Recht auf ortsnahe und gute
Versorgung. Wir wollen die soziale und medizinische Versorgung mit flexiblen
Angeboten sicherstellen. Durch öffentliche Mittel, wie beispielsweise
Europäische Kohäsionsmittel wollen wir mobile Beratungsstrukturen finanzieren.
Durch öffentlich getragene Gesundheitskioske soll zu gesundheitlichen und
sozialen Belangen Beratung für alle Bürger*innen stattfinden. Wir schaffen in
allen Regionen Versorgungszentrum. Wenn das Versorgungszentrum nicht mehr
weiterhilft, soll durch Rufsysteme die Möglichkeit bestehen, kostengünstig zum
Arztbesuch in der nächsten größeren Stadt zu fahren. Für Notfälle muss
gewährleistet sein, dass Notarzt und Polizei innerhalb der gesetzlich
vorgegebenen 12 Minuten vor Ort sind. Die Landespolizei wollen wir auch
außerhalb von Notfällen als Ansprechpartnerin beispielsweise durch regelmäßige
Sprechstunden auf dem Dorf auch dort verankern, wo es keine Polizeistationen
mehr gibt.
Durch autonomes Fahren kann auch zu Randzeiten Mobilität in den nächsten
größeren Ort oder Bahnhof gewährleistet werden. Projekte wie das Dörpsmobil
wollen wir auf alle AKTIV-Regionen ausweiten. Die Radinfrastruktur und Bike-
Sharing-Systeme sollen beispielsweise mit Tourismusmitteln stärker ausgebaut
werden und so ein attraktives Angebot als Alternative zu kurzen PKW Fahrten
geschaffen werden.
Die Breitbandversorgung wird auch mit europäischen Mitteln seit vielen Jahren
stark verbessert. Diesen Kurs wollen wir fortsetzen und das Tempo für den Ausbau
beschleunigen.
Mit der EU wollen wir Wirtschaft und Wohlstand zukunftsfähig gestalten
Durch das Zusammenspiel von europäischer Gesetzgebung und einer aktiven
Ansiedlungspolitik können wir am Beginn einer neuen schleswig-holsteinischen
Wirtschaftspolitik stehen. Wir wollen Schleswig-Holstein zu einer klimagerechten
europäischen Industrieregion machen. Wir setzen dabei einen Schwerpunkt auf
Erneuerbare Energien und die maritime Wirtschaft. Gesetzgebung im EU Parlament
werden wir darauf prüfen, ob Sie neben den Klimazielen auch geeignet ist unser
Bundesland zu stärken. Beispiele dafür ist die Reform der EU Beihilferegeln und
die Reform des Strommarkts. Wir wollen es auch durch europäische Gesetzgebung
einfacher machen auch in kleinen Umfang Erneuerbare Energien, bspw. Solar, für
den Eigenbedarf zu nutzen. Wir unterstützen regionale Stromzonen, die dazu
führen dass Regionen mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien
bevorteiligt statt benachteiligt werden.
Wir wollen unseren Wohlstand mehren und regionale Wertschöpfung durch die EU
stärken. Dafür wollen wir regionale Akteure viel früher und stärker einbinden
und sicherstellen, dass beispielsweise durch gute Arbeitsbedingungen,
Unternehmensbeteiligungen und Gewinnbeteiligungen die Vorteile direkt bei den
Menschen in den Regionen ankommen. Das positive Beispiel von Bürgerenergie
Projekten wollen wir auch auf andere Bereiche ausdehnen und in der Europäischen
Klimapolitik stärker verankern.
Schleswig-Holsteins Stimme muss in Brüssel sichtbarer werden. Wir wollen deshalb
gemeinsam mit der Wirtschaft, Gewerkschaften, Hochschulen und anderen
Akteur*innen das Hanse Office als Landesvertretung und Impulsgeber stärken.
Europäische Fördermittel können Motor für regionalen Wohlstand sein. Wir setzen
uns dafür ein, dass mehr europäische Mittel direkt an Kommunen ausgezahlt
werden. Dadurch können wir zielgenauer und unbürokratischer regionale
Wertschöpfung mit Hilfe von EU-Fördermitteln auslösen.
Wir setzen uns für europäische Wettbewerbe für klimaneutrale Dörfer oder für
einen Fonds für Kommunen ein, die Geflüchtete aufnehmen wollen. Damit gerade in
ökonomisch herausfordernden Zeiten die regionale Wirtschaft und der
gesellschaftliche Zusammenhalt nicht durch Kürzungen beschädigt werden, wollen
wir die Kofinanzierung von europäischen Fördermitteln aus den Schuldenbremsen
und Haushaltsregeln rausrechnen.
Mit der EU unsere Natur bewahren
Europäische Umweltschutzgesetze schützen unsere Natur dauerhaft und konsequent.
Aber trotz dieses starken europäischen Rechtsrahmens ist der Verlust von
Biodiversität und Artenvielfalt eine der größten Krisen unserer Zeit. Die
Zerstörung unserer Lebensgrundlagen hat enorme Konsequenzen für unsere
Gesundheit und unser Klima. Die Doppelkrise aus Klimaveränderung und
Artenschwund bedroht auch in Europa nicht nur die Existenz unserer
Landwirt*innen, sondern vor allem die zukünftiger Generationen. Konflikte nehmen
zu und Sie gefährden unsere Demokratie. Eine ambitionierte Klimapolitik reicht
nicht aus. Deshalb brauchen wir starke Naturschutzgesetze und müssen mehr in
Biodiversität investieren.
Die Angriffe der CDU/CSU und der FDP auf das EU Renaturierungsgesetz kritisieren
wir scharf. Wir brauchen ambitionierte Gesetze, um unsere Lebensgrundlagen zu
schützen. Die Vereinbarung im EU Haushalt zukünftig mindestens 10% in
Biodiversität zu investieren ist ein großer grüner Erfolg. In der neuen
Wahlperiode des Europäischen Parlaments wollen wir einen Naturschutzfonds im EU
Haushalt verankern. Wir setzen uns dafür ein, dass die gemeinsame europäische
Agrarpolitik grundlegend überarbeitet wird. Konservative, Liberale und zu viele
Sozialdemokrat*innen haben in den letzten Jahren eine Reform der EU Agrarpolitik
zu Gunsten der bäuerlichen Landwirtschaft, der Natur und des Klimas verhindert.
Wir Grüne werden die Reform der EU Landwirtschaftspolitik zur Priorität für die
kommende Wahlperiode machen. Öffentliches Geld muss zukünftig für öffentliche
Leistung gezahlt werden. Nicht die größten, sondern die nachhaltigsten Betriebe
sollten die meisten Fördermittel erhalten. Die Mittel für Klimaanpassung,
Katastrophen- und Küstenschutz müssen erhöht werden.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit statt nationalistische Barrieren!
Wir setzen uns dafür ein, den Binnenmarkt zu vollenden und Barrieren für einen
grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, wie beispielsweise durch Grenzkontrollen
oder Lücken in Sozialversicherung für Grenzpendler*innen abzubauen.
Wir wollen grenzüberschreitende Infrastruktur, wie beispielsweise den
Bahnverkehr in unsere Nachbarländer ausbauen. Deshalb setzen wir uns für einen
Halt der Nachtzüge zwischen Skandinavien und Mitteleuropa bei uns im Grenzland
und eine Ausweitung des EC Netzes zwischen Skandinavien und Deutschland ein. Wir
wollen durch eine Förde-Bahn die Grenzland Kommunen besser mit der Schiene
anbinden.
Wir wollen neue Impulse für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Im
Europäischen Parlament setzen wir uns für die Ausweitung von INTERREG für mehr
Kommunen im Land und eine Aufstockung der Mittel ein.
Auf europäischer Ebene sind wir Grüne in der Fraktionsgemeinschaft mit den
Minderheitenparteien EFA, die sich für den Schutz und die Gleichstellung stark
macht. Wir kritisieren, dass die EU-Kommission und viele Mitgliedsstaaten eine
aktive Rolle der EU zum Schutz der Minderheiten ablehnen. Unser Ziel bleibt,
dass die EU ein aktiver Akteur zum Schutz unserer Minderheiten wird. Wir setzen
uns weiterhin für eine Umsetzung der Minority Safepack Initiative und für einen
EU Minderheiten Kommissar*in ein.
Frieden und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat und Bewahrung unserer
Lebensgrundlagen – das ist das Versprechen der Europäischen Union. Es ist ein
Versprechen, für das es sich einzusetzen lohnt. Wir haben mit dem gemeinsamen
Europa einen Raum geschaffen, in dem Bürger*innen mitbestimmen können,
Parlamente und nicht die Macht des Stärkeren entscheidet und alle Menschen vor
dem Recht gleich sind.
Die Antwort auf die Herausforderungen Europas ist Europa. Die Europäische Union
kann das Vertrauen in ihre demokratischen Institutionen stärken. Sie kann die
Klimakrise bekämpfen. Sie kann dazu beitragen, dass Freiheit, Gleichheit und
Menschlichkeit ihr strahlendes Versprechen einlösen. Die Europäische Union kann
den Frieden bewahren. Sie kann. Wenn wir Bürger*innen das wollen. In diesem
Geiste müssen wir auch die bestehenden Herausforderungen und Krisen Europas
lösen.
Es geht bei der Europawahl darum, zu entscheiden, was wir wollen, wie wir
zusammen leben wollen. Und dann etwas dafür zu tun. Es ist aber offensichtlich,
wie schwer es geworden ist, dass die Europäische Union mit einer Stimme spricht,
weil häufig einzelne Mitgliedstaaten eine gemeinsame Politik verhindern. Doch
statt alte Mauern wieder hochzuziehen, müssen wir mir Zusammenhalt und
Solidarität stärken.
Lasst uns gemeinsam Europas Versprechen erneuern.
Begründung
Erfolgt mündlich
Unterstützer*innen
- Rasmus Andresen (KV Flensburg)
- Wiebke Garling-Witt (KV Stormarn)
- Ann-Kathrin Tranziska (KV Pinneberg)
- Jan Kürschner (KV Kiel)
- Marilla Meier (KV Lübeck)
- Artur Hermanni (KV Pinneberg)
- Andrea Eva Dreffein-Hahn (KV Pinneberg)
- Nadine Mai (KV Pinneberg)
- Martin Lätzel (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Ann Christin Hahn (KV Pinneberg)
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