Veranstaltung: | Landesparteitag Schleswig-Holstein September 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | 5 Anträge |
Antragsteller*in: | Ocean Renner (KV Nordfriesland) |
Status: | Eingereicht |
Abstimmungsergebnis: | einstimmig |
Antragshistorie: | Version 2 |
A3--(Ä2)-Neu: Klimaanpassung in Schleswig-Holstein: Vorrausschauend handeln, um das Land und die Kommunen auf die Folgen der Klimakrise vorzubereiten
Antragstext
Die Klimakrise ist bereits heute sehr spürbar und sie wird sich bei steigendem
Kohlenstoffdioxidgehalt in der Atmosphäre in ihren Folgen von Jahr zu Jahr
stärker auswirken. Wir wissen, dass auch global wirksamer Klimaschutz die
aktuellen klimatischen Bedingungen nicht mehr verbessern wird. Deshalb sind,
neben den Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität, auch Maßnahmen zur
Klimaanpassung notwendig. Diese dienen dazu, unser Land an die veränderten
Klimabedingungen anzupassen und die Bevölkerung vor den Auswirkungen der
Klimakrise zu schützen.
In Folge der Klimakrise wird die Zahl der Wetterextreme stetig ansteigen.
Starkregenereignisse werden vermehrt zu Überschwemmungen führen und Stürme
nehmen zu. Gleichzeitig werden Trockenperioden unsere Landwirtschaft sowie die
Grundwasserneubildung stark beeinträchtigen. Auch in Deutschland wird es immer
längere und stärkere Dürreereignisse geben. Der klimawandelbedingte
Meeresspiegelanstieg betrifft weite Teile Schleswig-Holsteins, insbesondere in
den Küstenregionen.
Menschen freuen sich über sommerliche 30°C im Schatten. Jedoch werden die Zahl
der Tage, an welchen wir die 30°C überschreiten und gleichzeitig auch die
erreichten Spitzentemperaturen von Jahr zu Jahr weiter ansteigen. Die 40°C Marke
wird den Prognosen zufolge in den kommenden Jahren in Deutschland immer wieder
und immer häufiger überschritten. Besonders ältere und vorerkrankte Menschen
werden zu Tausenden sterben. Nicht irgendwo, sondern mitten in Deutschland.
Die globalen Verheerungen, wie die massiven Waldbrände in Kanada und den USA,
die tödliche Trockenheit in Teilen Afrikas, die extreme Hitze und Dürre in den
europäischen Mittelmeerländern, abgelöst von alles vernichtenden
Extremregenereignissen wie in diesem Jahr in der Regio Emilia in Italien, in
Pakistan letztes Jahr oder in Mosambik dieses Jahr, die Vernichtung von
Lebensgrundlagen in Teilen Afrikas und Asiens, nehmen die meisten Deutschen
irgendwie wahr, denken aber nicht, dass Sie Teil unseres gemeinsamen globalen
Klimaproblems sind. Die Klimakrise wirft hier auch eine Frage der sozialen
Gerechtigkeit auf, denn die Menschen, die am stärksten von ihren Auswirkungen
betroffen sind, sind gleichzeitig diejenigen, die die geringste Verantwortung
für die Ursachen der Klimakrise tragen. Viele Menschen in Deutschland schotten
sich dieser Realität leider ab und folgen immer häufiger den Akteur*innen und
Politiker*innen, die ihnen vorgaukeln, sie müssten nur ganz fest daran glauben,
dass es keine Klimakrise gäbe, dann werde alles gut.
Die Ahr- und Eifelüberschwemmungen, die mehr als 180 Menschenleben und mehr als
33 Mrd. Euro Schadenssumme gekostet haben, scheinen bedauerlicherweise schon
vergessen.
Auch Ökosysteme und Biodiversität in Schleswig-Holstein und global werden durch
die Klimakrise stark beeinträchtigt. Im Frühsommer diesen Jahres wurden in
Teilen von Nordsee und Nordatlantik Temperaturen ermittelt, die auffällig
deutlich oberhalb des sonst üblichen Mittelwertes lagen. Dies hat insbesondere
Auswirkungen auf Kälte bevorzugende Arten. Dazu kommt die Versauerung der
Ozeane, verursacht durch steigende CO2-Gehalte in der Atmosphäre.
Während die Klimakrise aktuell global präsent und spürbar ist, wird in
Deutschland lieber über Aktivismusformen debattiert, statt gemeinsam den besten
Weg zu suchen, wie wir Klimagerechtigkeit schaffen können. Dass man Gasheizungen
gegen CO2-neutrale Wärmesysteme austauschen müsse, erregt dagegen,
emotionalisiert und spaltet die Bevölkerung.
Wirklichkeit tut manchmal weh.
Was also tun?
Wir müssen uns auf die Folgen der Klimakrise einstellen und Vorsorge betreiben.
Das erfordert ein breites Bündel von Maßnahmen auf allen politischen Ebenen, die
im Einzelnen die verpflichtende Mitwirkung aller Menschen erfordern werden.
- Wir GRÜNE setzen uns dafür ein, dass das Land Schleswig-Holstein im Rahmen
seiner Zuständigkeiten und unter Beteiligung von Bürger*innen und Kommunen
eine übergeordnete landesweite Klimaanpassungsstrategie erstellt , die
konkrete Maßnahmen zur Anpassung an die Erderwärmung, den steigenden
Meeresspiegel und das Zunehmen von Extremwettereignissen enthält. Auch der
Katastrophenschutz soll dabei eine entscheidende Rolle einnehmen. Wir
setzen uns im Land und in den Kommunen für eine konsequente Umsetzung der
aufgelisteten Maßnahmen ein.
- Aufgrund der küstennahen Lage zwischen Nord- und Ostsee weisen viele
Gebiete in Schleswig-Holstein ein hohes Hochwasserrisiko auf, bedingt
durch den Meeresspiegelanstieg, Stürme und Starkregenereignisse. Zum
Schutz der Bevölkerung, von Naturräumen und Nutzflächen vor Überflutungen
spielt der Küstenschutz deshalb eine entscheidende Rolle. Wir GRÜNE
unterstützen dahingehend erforderliche Maßnahmen zum Schutz vor
Überschwemmungen, beispielsweise in Form von Deicherhöhungen, der
Schaffung von Überflutungsflächen oder der Ertüchtigung von Sperr- und
Schöpfwerken. Dabei spielt immer der größtmögliche Schutz und Erhalt des
Wattenmeers für uns Grüne eine erhebliche Rolle.
- Klimaanpassungsmaßnahmen werden größtenteils vor Ort, in den Kommunen,
geplant und umgesetzt. Wir GRÜNE unterstützen Steffi Lemke in der
Erarbeitung eines umfassenden Klimaanpassungsgesetzes und setzen uns für
eine zügige Umsetzung in Schleswig-Holstein ein. Ein Schwerpunkt des
Gesetzes stellt die Erstellung verbindlicher kommunaler
Klimaanpassungskonzepte dar.
- Es muss sichergestellt werden, dass Kommunen genug Fachberatung und
Unterstützung zur Erstellung der Klimaanpassungskonzepte erhalten.
- Klimaschutz und Klimaanpassung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt
werden: Für die Erstellung der Klimaanpassungskonzepte ist fachliche
Expertise und Personalaufwand nötig. Dieser darf nicht durch die wichtigen
und bereits deutlich ausgelasteten Klimaschutzmanager*innen im Land
abgedeckt werden. Wir setzen uns dafür ein, dass zusätzliches Personal in
Kreisen zur Erarbeitung der Klimaanpassungskonzepte zur Verfügung gestellt
wird.
- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN arbeiten in Schleswig-Holstein darauf hin, den
Flächenverbrauch und die Flächenversiegelung in den Siedlungsgebieten auf
das notwendige Maß zu reduzieren. Nicht notwendige Flächenversiegelungen
und das Verschottern von privaten Grünflächen sind in Schleswig-Holstein
seit 58 Jahren nicht zulässig (verboten). Wir GRÜNE setzen uns für
wirksame Maßnahmen zur Durchsetzung von LBO §8 (1) durch die Landkreise
und kreisfreien Städte ein. Das Land muss die Landkreise in die Pflicht
nehmen. Ein entschädigungsfreier Rückbau von versiegelten Grünflächen muss
effizient durchsetzbar werden.
- Die unteren Landesbehörden müssen in der Lage sein, Gesetze und
Richtlinien im Rahmen der Klimafolgenbegrenzung effizient und wirkungsvoll
durchzusetzen. Dafür braucht es unter Anderem personell ausreichend
ausgestattete Behörden.
- Intakte Moore, Wälder und Meeresgewässer sind relevante CO2-Senken, denen
bei der Klimafolgenanpassung eine wichtige Bedeutung zukommt. Der Schutz
dieser Ökosysteme hat für uns GRÜNE in Schleswig-Holstein eine hohe
Priorität. Dazu gehören auch die Umsetzung des Nationalparks Ostsee sowie
ein verbesserter Schutz des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches
Wattenmeer im Rahmen unserer Handlungsmöglichkeiten. In der
Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/ EG, MSLR) wurden Leitlinien
festgelegt, mit denen die Ökosysteme von Nord- und Ostsee bereits in einen
„guten Umweltzustand“ hätten versetzt werden sollten. Da beide Meere
(siehe Zustandsberichte des BMU) diesen Zustand bisher nicht ausreichend
erreicht haben, setzen wir GRÜNE uns auf allen Ebenen und innerhalb
unserer Möglichkeiten für die Erreichung dieses Ziels ein, so wie es auch
nach WHG § 27 für alle natürlichen Oberflächengewässer festgeschrieben
ist. Wir setzen uns für die Umsetzung aller möglichen
Renaturierungsmaßnahmen von Mooren im Sinne der nationalen
Moorschutzstrategie und der Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Moorschutz
ein.
- Unsere Naturräume, die Fischerei, Land- und Forstwirtschaft werden von den
Folgen der Klimakrise stark getroffen, auch, weil sich Ökosysteme
verschieben aufgrund von Arten, die neu einwandern oder abwandern. Deshalb
ist es wichtig, unsere Ökosysteme zu stärken und diese besonders für den
ländlichen Raum wichtigen wirtschaftlichen Sektoren nachhaltig,
anpassungsfähig und zukunftssicher zu gestalten.
- Um die Lebensqualität in Schleswig-Holsteins Städten und Gemeinden auch
bei steigenden Temperaturen zu sichern, müssen Möglichkeiten der Begrünung
auf allen Ebenen bei der Stadtplanung mitgedacht werden. Grünflächen und
Bäume beeinflussen das Stadtklima und das Wohlbefinden der Bürger*innen
positiv, indem sie für eine Kühlung der Temperatur sorgen und die
Biodiversität im städtischen Umfeld fördern.
- Städte und Gemeinden haben bei der Anpassung des unmittelbaren
Lebensumfeldes der Menschen an den Klimawandel eine überragende Bedeutung.
Der Umgang mit sich verändernden klimatischen Verhältnissen macht eine
umfassende Erneuerung öffentlicher und privater Infrastrukturen
erforderlich. Wir GRÜNE in Schleswig-Holstein werden uns deshalb auf
Landesebene sowie in den Kreisen, Städten und Gemeinden für eine
konsequente Klimaanpassung unserer Infrastrukturen einsetzen. Dazu gehört
beispielsweise die Umgestaltung von Städten nach dem Konzept der
„Schwammstadt“.
Begründung
Referenzen:
Nachrichten zur Klimakrise
Überflutungen in Pakistan: Mehr als 1000 Tote bei Flutkatastrophe in Pakistan | tagesschau.de
Überflutungen in Italien: Überschwemmungen in Italien: 36.000 müssen Häuser verlassen - ZDFheute
Überflutungen in Mosambik: Überschwemmungen: Katastrophenfall in Mosambik und Südafrika ausgerufen | ZEIT ONLINE
Überflutungen im Ahrtal und Umgebung: Ahrtal unter Wasser - Chronik einer Katastrophe - wdr.de
Temperaturen im Nordostatlantik 2023: „Etwas sehr Merkwürdiges geschieht“ – Atlantik-Temperatur beunruhigt Forschende (fr.de)
Konsequenzen der Klimakrise für Meeresökosysteme (hier Nordsee): AWI_FactSheet_Nordsee.pdf (eskp.de)
Rechtliche Grundlagen und Leitlinien
Klimaanpassungsgesetz NRW: SGV Inhalt : Klimaanpassungsgesetz Nordrhein-Westfalen (KlAnG) | RECHT.NRW.DE
Landesbauordnung SH §8: § 8 LBO - Nicht überbaute Flächen der bebauten Grundstücke, Kleinkinderspielplätze (gesetze.io)
Bund-Länder-Zielvereinbarung Moorschutz: Microsoft Word - 211117 BLZV-mit ST (bmel.de)
Moorschutzprogramm SH: Microsoft Word - LT Bericht Moorschutzprogramm.doc (schleswig-holstein.de)
Bundesnaturschutzgesetz § 5 (Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei): § 5 BNatSchG, Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft - Gesetze des Bundes und der Länder (lexsoft.de)
Zustandsberichte des BMU (2018):
- Nordsee: Zustandsbericht_Nordsee_2018.pdf
- Ostsee: Zustandsbericht_Ostsee_2018.pdf
Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie: eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32008L0056
Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG): untitled (europa.eu)
gemeinschaftlicher Antrag von Mathias Schmitz, KV Pinneberg und Ocean Renner, KV Nordfriesland
Unterstützer*innen
Änderungsanträge
- A3-Ä1 (Ralf Hübner (KV Pinneberg), Zurückgezogen)
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