Veranstaltung: | Landesparteitag Schleswig-Holstein September 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | 5 Anträge |
Antragsteller*in: | Fabian Osbahr (KV Segeberg) |
Status: | Eingereicht |
Abstimmungsergebnis: | mit Ä1 angenommen |
Eingereicht: | 21.09.2023, 10:19 |
A7-MOD: Schuldenbremse reformieren – für eine zukunftsorientierte Investitions-Offensive
Titel
Antragstext
Der Landesparteitag möge beschließen:
Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Schleswig-Holstein setzen sich für eine Reform der
Schuldenbremse im Grundgesetz und in der Landesverfassung ein. Ziel ist es,
dass zur Finanzierung von Investitionen in eine nachhaltige und soziale
Infrastruktur auch die Aufnahme von Krediten ermöglicht wird. Der Erhalt und die
Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur ist eine zentrale Aufgabe des
Staates. Zudem sind Investitionen in Vermögenswerte und Wachstumschancen ein
zentraler Baustein für die Zukunftschancen künftiger Generationen.
Für das Erreichen dieses Ziels sind bundesweit hohe Milliardenbeträge notwendig.
Diese Mittel können nicht aus den jährlichen Haushalten finanziert werden, zumal
Deutschland in den letzten Jahrzehnten deutlich zu wenig investiert hat und wir
an vielen Stellen erheblichen Nachholbedarf haben. So besteht insbesondere im
Hochschul- und Krankenhausbereich, aber auch bei Kitas und Schulen, ein hoher
Investitionsbedarf, auch wenn in den letzten Jahren erheblich mehr investiert
wurde als in der Zeit davor. Zudem stellt uns die Aufgabe der ökologischen
Transformation zur Erreichung der Klimaziele und die u.a. dafür zwingend
notwendige Digitalisierung vor maximale Herausforderungen.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Schleswig-Holstein setzen sich daher für eine Änderung
des Grundgesetzes ein. Damit soll es den Ländern ermöglicht werden, dass sie -
so wie der Bund – die Möglichkeit erhalten, sich unabhängig von Notsituationen
und konjunktureller Entwicklung in einer am BIP und am Wirtschaftswachstum
orientierten Höhe verschulden dürfen.
Wir streben eine Reform der Schuldenbremse an, die ein Augenmaß bei konsumtiven
Ausgaben wahrt, die durch die Einnahmenseite gedeckt sein sollten. Zugleich
benötigen wir dringend, auch aus volkswirtschaftlichen Gegebenheiten, die
Möglichkeit, für zukunftsweisende Investitionen Kredite aufnehmen zu können.
In Orientierung etwa an der „goldenen Regel“ befürworten wir ausdrücklich, dass
in dem Maße Verschuldung aufgebaut werden kann, wie den kommenden Generationen
durch Investitionen Vermögenswerte bzw. Wachstumschancen zukommen.
Deshalb werden wir uns auch weiterhin für eine entsprechende Reform der
Schuldenbremse sowie für eine angemessene Besteuerung hoher Einkommen und großer
Vermögen einsetzen.
Eine Reform der Schuldenbremse ist nur im Rahmen einer Änderung des
Grundgesetzes umsetzbar. Dazu braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag
und im Bundesrat. Dafür werden wir auch weiterhin werben.
Zudem setzen wir uns dafür ein, zur Finanzierung der Energiewende sowie zur
Modernisierung und Sanierung der Infrastruktur und der beschleunigen Schaffung
von bezahlbarem Wohnraum im Land bestehende Finanzierungsmöglichkeiten zu
nutzen. So können wir uns u.a. die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft
vorstellen, die mit Krediten vorfinanziert.
Weiterhin setzen wir uns dafür ein, zur Erreichung der Klimaziele mit weiteren
Notkrediten zu arbeiten. Länder wie das Saarland, Bremen und Berlin haben dazu
relevante Beschlüsse gefasst. Zur Frage der Verfassungskonformität dieser
Klimafonds gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen. Unser Vorschlag ist, die
Möglichkeit, kreditfinanzierte Klimafonds mit Notkrediten zu finanzieren,
rechtlich abzusichern. Dieses könnte durch eine Klarstellung im Grundgesetz
umgesetzt werden. Ziel ist es, dass Notkredite nicht nur zur Behebung von
Schäden (Notsituation, z.B. Schäden durch Überschwemmungen) eingesetzt werden
können, sondern auch dazu, Schäden zu vermeiden, indem in Klimaschutz und
Klimaanpassung investiert wird.
Begründung
Schon vor der Einführung der Schuldenbremse hat sich in Deutschland über mehrere Jahrzehnte hinweg ein enormer Investitionsstau aufgebaut.
Die alte Regel, dass sich der Staat in Höhe der Investitionen verschulden darf, hat zum einen zu hohen Schulden und zugleich zu einem hohen Sanierungsstau geführt, da es keine qualitativen Kriterien für Investitionen gab. Zudem sah das alte Regelwerk keine Verschuldung für konjunkturelle Einnahmeschwankungen vor. Dieses führte dazu, dass die Aufstellung von Haushalten in angespannten Wirtschaftslagen extrem herausfordernd war.
Die im Grundgesetz neu verankerte Schuldenbremse – die seit 2020 gilt - ermöglicht drei Varianten der Verschuldung:
• In Notsituationen können Kredite aufgenommen werden. Davon hat auch SH in der Pandemie und im Zusammenhang mit den inflationsbedingten Kostensteigerungen aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine Gebrauch gemacht. Dabei wird ein Teil der Kreditaufnahme eingesetzt, um unser Land beschleunigt von fossilen Energieträgern und autoritären Staaten unabhängig zu machen, u.a. durch verbindliche Planung der Kommunalen Wärmewende.
• Wenn die Konjunktur schwächer als „normal“ ist, können Kredite zum Ausgleich der Einnahmeausfälle aufgenommen werden. Davon macht z.B. Schleswig-Holstein 2023 in Höhe von rund 450 Mio. Euro (Zahl prüfen) Gebrauch.
• Die im Rahmen des EU-Fiskalvertrags von 2012 zulässige gesamtstaatliche Verschuldung liegt p.a. bei 0,5 Prozent des BIP. Der Bund darf davon 0,35 Prozent in Anspruch. die Länder haben auf die Möglichkeit verzichtet, 0,15 Prozent in Anspruch zu nehmen. Das wäre für Schleswig-Holstein allein ein Spielraum von 180 Mio. Euro. Für die Länder gilt die Vorgabe, dass Haushalte ohne neue Schulden aufgestellt werden müssen.
Diese Elemente weiterzuentwicklen ist notwendig, damit der Staat handlungsfähig bleibt und die Zukunftsaufgaben finanzieren kann.
Unterstützer*innen
- Ingrid Betzner-Lunding (KV Segeberg)
- Achim Jansen (KV Segeberg)
- Fabian Osbahr (KV Segeberg)
Änderungsanträge
- Ä1 (Oliver Brandt (KV Herzogtum Lauenburg), Eingereicht)
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